Jetzt ist es wieder grau, feucht und kalt. Wir bleiben lieber in unseren Häusern. Der Alltag deckt uns ein, wie der dichte Nebel, der die Sonnenstrahlen von uns abhält. Der Stress fängt schon an, weil bald Weihnachten ist.
So war es auch in einem kleinen Dorf. Die Stimmung war gedrückt, und jedem Bewohner schien es, als leider er am meisten unter der Situation. Schliesslich befragten die Dorfältesten einen Einsiedler in einer nahegelegenen Klause, wie sie aus der allgemeinen Niedergeschlagenheit herauskommen könnten. Der Weise antwortete: „Wenn denn jeder meint, das Schicksal habe ihm die schwerste Last auferlegt, dann soll jeder seine Sorgen und Nöte zu einem Paket schnüren und es an die alte Linde in der Mitte des Dorfes hängen. Er darf sich dafür das Päckchen eines anderen nehmen.“ Wie toll wäre das, wenn wir alles, was uns belastet, was schwierig ist, was uns Sorgen macht, einfach in einen Karton packen könnten, ein farbiges Papier drum herum, ein dickes Band, dass das Paket zusammenhält und weg damit, einfach in einen Baum hängen. Für jemand anders ist unser Bürdeli vielleicht leichter zu tragen. Die anderen meinen, dass sie es viel schwerer haben als wir, sollen sie mal schauen, ob es wirklich so ist. Die Bewohner des Dorfes liessen sich auf den Rat des Weisen ein. Jeder hängte seine Sorgen an den Baum und nahm sich ein anderes Päckchen. Doch wie überrascht waren alle, als sie die fremden Pakete zu Hause öffneten und feststellten, dass die Sorgen darin so viel grösser waren als die eigenen! Und so eilte jeder leise zu dem Baum zurück, hängte das fremde Päckchen an einen Ast, suchte sich sein eigenes und ging zufrieden nach Hause. Unsere Sorgen erscheinen uns in Anbetracht von den anderen, plötzlich nichtig und klein und sind viel leichter zu tragen. Doch vielleicht steckt auch etwas anderes dahinter. Wenn wir unser Paket in den Baum hängen, dann müssen wir unsere Wohnungen verlassen, auf die Strasse gehen und so begegnen wir einander. Wenn wir unser Bürdeli nicht allein tragen müssen, sondern miteinander und wir unseres in Relation zu den anderen sehen, wird es auf einmal leichter und ertragbarer.
Zuerst erschienen im „extra“, der Beilage der reformierten Kirche Dübendorf, zum reformiert im November 2012